Requirements Engineering ist wohl einer der wichtigsten – und gleichzeitig am meisten unterschätzten – Erfolgsfaktoren in IT-Projekten. Wenn Projekte aus dem Ruder laufen, liegt der Grund selten an der Technologie. Meistens fehlt etwas viel Einfacheres: ein gemeinsames Verständnis darüber, was überhaupt gebraucht wird.
In der Praxis heisst das: Anforderungen werden zu spät, zu vage oder an den falschen Stellen erhoben. Missverständnisse, unklare Ziele und endlose Change Requests sind die Folge. Die gute Nachricht: Das lässt sich vermeiden – mit solidem Requirements Engineering.
Was ist Requirements Engineering überhaupt?
Requirements Engineering (kurz: RE) bedeutet, Anforderungen systematisch zu erheben, zu analysieren, zu dokumentieren und zu verwalten. Diese Disziplin sorgt dafür, dass alle Beteiligten dasselbe Zielbild vom Produkt haben – bevor es entwickelt wird.
Oft spricht man auch vom Requirements management. Der Begriff „Engineering“ ist hier aber bewusst gewählt, weil es nicht nur ums Sammeln von Wünschen geht, sondern um strukturierte Arbeit an den Bedürfnissen.
Denn – und das ist zentral – Kundenwünsche and Kundenbedürfnisse sind nicht dasselbe. Wie ich gerne sage:
„Wenn du Glück hast, hast du einen Kunden, der weiss, was er will.
Das ist aber noch lange nicht das, was er auch braucht.“
Genau hier setzt gutes Requirements Engineering an: Es hilft, die wahren Bedürfnisse zu verstehen, Missverständnisse früh zu klären und das richtige Produkt zu bauen – nicht einfach das erstbeste.
Warum Requirements Engineering so wichtig ist
Ein solides RE bringt Klarheit in Projekte, reduziert Risiken und schafft Vertrauen zwischen Business und IT. Die Vorteile lassen sich auf vier Punkte bringen:
- Klarheit & Fokus Alle reden vom Gleichen. Ziele, Erwartungen und Abgrenzungen werden greifbar.
- Zeit- & Kostenersparnis Fehler werden erkannt, bevor sie teuer werden. Studien zeigen, dass Nachbesserungen in späten Projektphasen bis zu 100-mal teurer sind als in der Analysephase.
- Risikominimierung Weniger Change Requests, weniger Überraschungen, weniger Frust.
- Zufriedene Stakeholder Produkte, die echten Nutzen stiften – weil sie auf Bedürfnissen basieren, nicht auf Annahmen.
Zahlen, die zum Nachdenken anregen
Fehlendes Requirements Engineering ist kein akademisches Problem – es ist einer der Top-Gründe, warum Projekte scheitern:
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Laut dem PMI Pulse of the Profession Report (2014) sind ungenügend erhobene Anforderungen bei 47 % der Projekte der Hauptgrund für Misserfolg.
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Eine PLOS ONE Meta-Studie (Iqbal et al., 2020) fand 43 typische RE-Probleme, die direkt zu gescheiterten Softwareprojekten führen – von unklaren Zielen bis zu widersprüchlichen Stakeholder-Erwartungen.
Für unsere Praxis bedeutet das: RE ist keine lästige Formalität, sondern dein bestes Werkzeug, um Projekte erfolgreich zu machen – egal ob agil, hybrid oder klassisch organisiert.
Der Prozess: Wie man Anforderungen richtig ermittelt
Ein klarer RE-Prozess besteht aus fünf Schritten, die in jedem Umfeld funktionieren:
- Ziele und Scope klären – Warum gibt es das Projekt überhaupt?
- Anforderungen erheben – z. B. durch Interviews, Workshops oder Dokumentenanalyse.
- Analysieren & priorisieren – Was ist wirklich wichtig, was „nice to have“?
- Dokumentieren & abstimmen – Klar, verständlich und testbar formulieren. Mit allen relevanten Stakeholdern abstimmen.
- Validieren & verwalten – Änderungen kontrolliert aufnehmen, Nachvollziehbarkeit sichern.
Wenn du diesen Zyklus im Griff hast, bist du schon auf einem professionellen Level – ganz egal, ob du in einem Corporate arbeitest oder in einem agilen Team unterwegs bist.
Klassisch oder agil – RE funktioniert immer
Requirements Engineering ist methodenagnostisch. Das heisst: Die Prinzipien bleiben gleich, egal ob du mit Lastenheften oder User Stories arbeitest.
Wenn du ins Thema einsteigen willst, ist der IREB CPRE Foundation Level der perfekte Startpunkt:
👉 IREB Certified Professional for Requirements Engineering (CPRE)
Für alle, die bereits agil arbeiten, gibt’s passende Vertiefungen:
👉 Certified Agile Requirements Specialist (CARS)
👉 Product Owner 2.0 – AI Superpower
Zukunft: Wie KI das Requirements Engineering verändert
Grundsätzlich gilt: RE bleibt ein „People Business“ – aber KI wird es verändern. AI-gestützte Tools helfen bereits heute, Interviews auszuwerten, ähnliche Anforderungen zu clustern, Requirements konsistent zu dokumentieren oder Inkonsistenzen in Dokumenten zu erkennen.
Spannend wird es, wenn AI-Assistenten ins Spiel kommen. Sie unterstützen RE-Fachleute dabei, kontextbezogene Vorschläge zu machen, automatisch Testfälle abzuleiten oder Prototypen aus Beschreibungen zu generieren. Ich habe dazu eine zweiteilige Artikelserie im RE Magazine geschrieben:
📄 AI Assistans in Requirements Engineering – Part 1 | Part 2
Und wenn du lieber gleich praktisch eintauchen willst:
👉 AI im Requirements Engineering Training
Conclusion
Gutes Requirements Engineering sorgt dafür, dass Teams nicht einfach etwas bauen, sondern das Richtige bauen.Es schafft Klarheit, spart Geld und fördert Zusammenarbeit – in klassischen wie auch agilen Umfeldern.
Wenn du Lust hast, dein RE-Know-how auf das nächste Level zu bringen:
➡️ Starte mit dem IREB CPRE Foundation Level für eine solide Basisausbildung
➡️ Spezialisiere dich direkt mit dem CARS Training, wenn du überwiegend in agilen Projekten arbeitest
➡️ Oder entdecke neue Wege mit den KI-Modulen AI im Requirements Engineering Training or Product Owner 2.0 – AI Superpower
Michael (Mr. Miroboard) Mey
Michael is a trainer who not only impresses with his knowledge, but also with his passion.
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More details here:
- Requirements Management: Core Competency for Project and Program Success – PMI Pulse of the Profession Report
- Requirements engineering issues causing software development outsourcing failure – PLOS ONE Meta-Studie
- Certified Agile Requirements Specialist Training
- IREB CPRE Foundation Training
- AI im Requirements Engineering Training
- Product Owner 2.0 – AI Superpower Training
- Our next training dates
- „Was will der Kunde? Anforderungen professionell ermitteln und analysieren“ (Webinar von Obvious Works in Kooperation mit Digicomp)
- IREB Special Interest Group SIG #AIREB